Und er hängt noch immer. Beim Betrachten der Alten Brücke erinnert mich der leuchtende «als wir träumten»-Schriftzug von Künstlerin Ursula Palla etwas wehleidig an meine Vorstellungen und Hoffnungen aus dem Frühjahr – Ein sonniger, von Covid-Schutzmassnahmen mehrheitlich befreiter Sommer. Andere freuten sich auf erste Reisen ins Ausland. Ich, vorsichtshalber noch ohne grosse Reisepläne freute mich vor allem auf die Begegnungen und Erlebnisse in der Stadt: Ob beim Sitzen in einem der «rausgestuhlten» Cafés auf der zeitweise fast mediterran anmutenden Kirchgasse, beim Zuhören eines kleinen, aber feinen Open-Air-Konzerts im Drei Tannen Biergarten oder beim Anstossen in der Abendsonne im Aarebistro. Ich freute mich auf ein gemütliches Zusammensein mit Menschen, die ich notgedrungen den Winter über nicht gesehen hatte und sonstige spontane Begegnungen, wie sie so nur in einer Kleinstadt wie Olten stattfinden können. Doch aktuell zügelt das Aarebistro fast per Wasserweg nach Winznau und bei einem Spaziergang «Dere schöne Aare naa» droht eher die Gefahr durch reissende Fluten statt mitreissender Kunst. Die Pegelanzeige an der Hausmauer auf der linken Seite der Alten Brücke macht sichtbar warum: Beim Schreiben dieser Kolumne liegt der Wasserstand der Aare nur noch wenige Zentimeter unter dem Stand von 2007! Hält der Regen weiter an, sollten wir vielleicht bald darüber diskutieren, ob das Fahrverbot in der Winkelunterführung auch für Boote gelten soll. Etwas zynisch realisiere ich, dass dieses extreme Wetterereignis nur kurze Zeit nach dem knappen Volks-Nein zum CO2-Gesetz an der Urne eintrifft. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Natürlich liegt hier kein direkter Zusammenhang vor. Und natürlich hat es solche Wetterextreme auch früher schon gegeben. Doch, und das ist wissenschaftlich breit abgestützt, die Häufigkeit solcher Ereignisse nimmt zu und wird weiterhin zunehmen. Vielleicht erleben wir in drei Jahren erneut solche Unwetter. Vielleicht herrscht aber in 3 Jahren eine Dürre und wir wären froh, schattige Plätzchen überall in der Stadt aufzufinden, wie meine vorangegangene Kolumnistin Gabriela Allemann bereits treffend bemerkte. Ich will weder Panik schüren noch die Moralkeule schwingen, doch aktuell erleben wir, was direkte Betroffenheit mit dem Gefühl, solchen Kräften ausgeliefert zu sein, bedeutet. Ich freue mich, haben Oltnerinnen und Olten erkannt, dass Nichtstun keine Option ist. So gibt es nebst dem überwältigenden Ja-Anteil von 65% zum CO2-Gesetz und dem ausgerufenen Klimanotstand verschiedene lokale Projekte zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit wie die RestEssBar, das Oltner-Solarstrom-Beteiligungsmodell der a.en sowie die Klimabewegung, die gerade den kantonalen Volksauftrag für den dringend nötigen Bau von Solaranlagen auf möglichst allen dafür geeigneten Gebäuden lanciert hat. Olten kann und geht voran. Dies ist in einem etwas trägen Kanton wie Solothurn extrem wichtig. Es braucht immer Vordenkerinnen und Mutige, welche nicht verzagen und weitergehen. Wir können als ganze Stadt mutig sein und so in Zukunft vielleicht folgenden Schriftzug an die Alte Brücke hängen: «als andere noch träumten, haben wir es bereits getan».

Erschienen im Oltner Tagblatt am 22. Juli 2021