Geschätzte Besucherinnen und Besucher des heutigen Gottesdienstes

Ich freue mich, dass ich heute hier vor Ihnen stehen darf. Vielen herzlichen Dank für ihre Einladung.

Unsere siebenjährige Tochter hatte kürzlich an der Schule in der Religionsstunde das Thema „Warum gibt es mich, wozu bin ich da?“ diskutiert.

Eine gute und spannende Frage, über die es sich nachzudenken lohnt. Die Antworten der Kinder auf diese Frage waren sehr unterschiedlich. „Zum Spielen“, „zum Lernen“, „um Freunde zu haben“, „um die Umwelt zu schützen“ oder einfach „um zu leben“.

Ich bin überzeugt, viele von Ihnen haben sich diese oder ähnliche Fragen auch schon gestellt. Ja, warum gibt es mich? Warum gibt es die Menschen? Wozu sind wir da?

Antworten auf diese Fragen sucht die Menschheit bereits seit Jahrtausenden. Die einen finden Antworten in der Religion oder in der Natur, andere sind damit zufrieden, dass es für sie hierzu keine abschliessende Antwort gibt.

Ich persönlich muss zugeben, dass mich diese Frage nach dem Sinn der Menschheit manchmal ziemlich deprimiert. Es gibt so vieles, was wir Menschen auf der Welt zerstört haben. Wir bekriegen uns, wir verändern durch unser Streben nach immer mehr und immer schneller das Klima so stark, dass das Leben in gewissen Regionen bald nicht mehr möglich sein wird. Wir zerstören die Natur und sind verantwortlich für unzählige Tier- und Pflanzenarten, die aufgrund unseres Handelns nicht mehr existieren. In der Schweiz beispielsweise ist jede dritte Tier- oder Pflanzenarten auf der roten Listen, das heisst, sie gelten als gefährdet, verschollen oder ausgestorben. Und dafür sind zum allergrössten Teil wir verantwortlich.

Sie kennen sicherlich den Witz: Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Sagt der Eine zum Anderen: „Siehst schlecht aus.“ Erwidert der Andere: „Ja, es geht mir nicht gut, ich habe Menschen.“ Meint der Erste: „Hatte ich auch mal, aber das geht vorbei.“

Dieser Witz hat viel Wahres an sich. Dass die Menschheit früher oder später wieder aussterben wird, ist wohl anzunehmen. Aber jetzt gibt es uns – und unser Leben ist ein Geschenk. Es liegt an uns das Beste daraus zu machen. Es gibt so viel Schönes wofür wir dankbar sein können. Jede und jeder hat seine ganz persönlichen Dinge, für die sie oder er dankbar ist, die das Leben lebenswert machen und uns Energie geben.

Zum Beispiel ein Sonnenuntergang, der den ganzen Himmel rot färbt? Ein klarer Sternenhimmel irgendwo in den Bergen? Kinder, die das Leben ganz neu entdecken und, wenn sie etwas Neues lernen, fast platzen vor Stolz? Ein Spaziergang im Wald? Begegnungen mit Freunden? Oder ein schönes Fest in der Innenstadt, wie beispielsweise das Robifest, das kürzlich hier draussen stattgefunden hat, bei dem ganz viele Leute ehrenamtliche mitgeholfen haben und so unzähligen Kindern einen schönen Nachmittag beschert hatten?

Mir persönlich gibt all das viel Energie und Freude. Es sind die kleine Dinge, wie eine aufgehende Nachtkerze im Dämmerlicht oder eine nette Geste einer Nachbarin oder eines mir unbekannten Mitmenschen über die ich mich freue. Und es sind Begegnungen mit den vielen engagierten Menschen, die in der Politik, im Verein oder in der Genossenschaft im Kleinen Veränderungen anstossen. Kaum jemand von uns wird die grossen Probleme der Welt alleine lösen können. Aber wir alle können die Welt um uns herum ein bisschen besser, farbiger, freudiger machen.

Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns der grossen Verantwortung, die wir als Menschen tragen, bewusst sind und das Schreckliche, Elende und Traurige auf dieser Welt im Hinterkopf behalten. Dabei dürfen wir aber das Freudige nicht aus den Augen verlieren. Seien wir dankbar für all das Schöne und Gute, das wir um uns haben und schenken wir unseren Mitmenschen und unserer Umwelt so viel Gutes, wie wir nur können.

Und dies ist auch meine persönliche Antwort auf die Frage: „Warum gibt es mich? Warum bin ich da?“ Nein, ich bin nicht hier, um die Welt zu retten. Aber ich kann versuchen, sie nicht schlimmer zu hinterlassen, als ich sie angetroffen habe und ich kann möglichst vielen Mitmenschen möglichst oft ein Lächeln schenken.

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen einen schönen Bettag.

Yael Schindler Wildhaber, 17. September 2023