Veganer Januar –  jedes Jahr die gleiche Leier: von guten Vorsätzen, auf das tägliche Stück Greyerzer zu verzichten. Vom Bewusstsein, dass Tiere lieber nicht gegessen würden. Dass der Verzicht auf tierische Produkte besser für Klima und Umwelt wäre. Deshalb mache auch ich beim sog. “Veganuary” mit und ernähre mich einen Monat lang vegan. Dabei ist ein faszinierendes Phänomen beobachtbar: Zeitgleich mit Januar-Veganerinnen erscheinen überall moderne Superhelden:

POOF „Dir ist schon klar, dass für dein Sojageschnetzeltes Regenwald abgeholzt wird?“

SWOOSH „Mich stört ja nicht, dass du vegan isst aber muss das aussehen wie Fleisch?”

BOOM „Wo kriegst du denn überhaupt deine Proteine her? Gesund kann das ja nicht sein!“, meint Karin, deren Superheldinnennahrung aus Fleischkäse mit Butternüdeli besteht.

Diese Superhelden erscheinen im Veganuary aus einem simplen Grund: Sie wollen sicherstellen, dass der Verzicht auf tierische Produkte einem biblischen Martyrium entspricht. Weder schmeckt, noch Spass macht. Ein bisschen wehtut. Aber nicht allzu fest – nur so viel, dass das Superheldenkomitee resümieren kann: “unzumutbar, nur wegen dem Bisschen Ökobilanz und Tierleid”.

Denn: Je einfacher und attraktiver es wird, vegan zu leben, desto schwieriger wird die Rechtfertigung, es nicht zu tun. Wenn es möglich ist, ohne Mängel auf tierische Produkte zu verzichten, müssen die Superheldinnen sich eingestehen: Dass sie nicht vegan leben, liegt weder am Geschmack, noch an den Nährstoffen des pflanzlichen Poulets. Sondern daran, dass der innere, nicht-vegane Schweinehund zu gross ist. Daran, dass wir Gewohnheitstiere sind. Für uns die YB-Wurst am Match oder das Fondue an Weihnachten dazu gehören.

Und obwohl wir längst wissen: je weniger tierische Produkte, desto besser für Klima, Tiere und Umwelt – halten wir an unseren Ritualen fest. Das ist nicht perfekt – aber menschlich. Was hingegen unfair ist: Unser moralisches Dilemma den Veganern aufzubürden. Wehrlose Menschen mit Tupperwares pflanzlichen Inhalts zu belästigen. Und die komplette Faktenlage umzudrehen, damit wir uns beim Butter schmieren aus der Verantwortung ziehen können.

Wir müssen aufhören, Veganer in eine asketische Märtyrerecke zu stellen, wo wir selbst nie stehen könnten. Und uns eingestehen, dass auch wir Superheldinnen fähig sind, wider besseren Wissens zu handeln. Jedoch besteht Hoffnung: Im Veganuary macht die pflanzliche Ernährung dank zahlreicher Aktionen besonders Spass. Und wir können ganz unverfänglich das Handeln nach bestem Wissen und Gewissen ausprobieren. In der Hoffnung, dass irgendwann mehr hängen bleibt, als nur das schlechte Gewissen beim Spiegelei im Februar.